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Ballett Frankfurt

Forsythes Rückkehr

William Forsythe kehrt mit einer neuen Kompanie nach Frankfurt zurück - alles ist wie früher und nichts, wie es gewesen ist.

Harald Schmidt ist nach einjähriger Kreativpause zurückgekehrt und macht im Prinzip das Gleiche wie vorher - nur unter anderem Label und mit weniger Beteiligten. Ist das mit der Forsythe Company genauso? Oder ist es ein grundlegender Neuanfang?

Nein, so ein richtiger Bruch ist das nicht. Ich bin ja kein anderer Mensch geworden. Ich habe nur eine Pause gemacht - die ich verdient hatte. Aber eigentlich war es auch gar keine richtige Pause; natürlich arbeitet und plant man immer weiter.

Sie haben in New York die Forsythe Foundation gegründet, mit dem Ziel, Ihre Choreographien zugänglich und lehrbar zu machen.

Ja, das war unheimlich viel Arbeit und Organisation. Außerdem war mir das ganze Territorium New York in den Jahren unbekannt geworden. Ich musste mich erst einmal wieder neu vorstellen - new kid in town. Ich habe viel Zeit in New York verbracht, einfach um wieder ein Gefühl für die Stadt zu entwickeln. Es hat sich nach zwanzig Jahren Ballett Frankfurt einfach sehr viel Wissen angesammelt, und einige Sachen sind vielleicht hilfreich für Studierende. Die Foundation ist ja zu einem großen Teil auf die Ausbildung fokussiert ...

Die Forsythe Company ist eine Verkleinerung auf achtzehn Tänzer - und auch eine Verjüngung. Viele der älteren Tänzer, die das Publikum seit vielen Jahren kennt, sind nicht mehr dabei ...

... das ist eine normale Entwicklung. Und so viele Neue sind es gar nicht, weil ich seit zwei, drei Jahren vor allem mit diesen Leuten gearbeitet habe. Außerdem werden einige der älteren Tänzer als Gäste für uns tanzen. Jill Johnson beispielsweise oder Alison Brown. Auch Tony Rizzi spielt noch in "Kammer Kammer". Aber es ist für Tänzer auch wichtig, nach so vielen Jahren eigene Wege zu gehen.

Hatten Sie nach zwanzig Jahren Ballett Frankfurt nicht den Gedanken, einen ganz radikalen Schnitt zu machen?

Ich habe ganz tolle Tänzer, warum sollte ich einen solchen Cut machen? Das wär' irgendwie pubertär. Wir haben nach wie vor auch so genug Fragen, wir laufen nicht selbstsicher durch die Gegend. Es gibt Zweifel, dadurch entsteht Energie. Wir entwickeln uns weiter - ich will nicht auf die Vergangenheit fokussieren.

Aber Sie hatten vor zwei Jahren ernsthaft überlegt, sich vielleicht stärker der Bildenden Kunst zu widmen - oder vielleicht der Architektur oder der Mathematik?

Ja, absolut. Aber es ist ja nicht notwendig, seine Fähigkeiten einfach wegzuschmeißen. Choreographieren ist sauschwer. Ich empfinde es nach wie vor als sauschwer - und es gibt nicht so viele, die das können. Einige Arbeiten von mir sind jetzt in Galerien und in Museen ausgestellt - aber ich habe sie nie als Bildende Kunst verstanden, sondern als Choreographien. Sie entstanden als choreographische Gedanken. Bildende Kunst hat andere Gesetze.

Nach einem Jahr Pause wieder im Ballettsaal zu stehen und zu proben - hatten Sie da Probleme, sich wieder reinzufinden?

Ach, ich mach' das schon so lange - in dieser Hinsicht war es, als hätte es nie aufgehört. Ich geh' einfach in eine Probe - und da ist es wieder!

Auch der Ort ist ja der alte: Probebühne und Büro im Opernhaus, die Aufführungen dann im Bockenheimer Depot. Als läge keine Zeit dazwischen ...

... Null. Das ist tragisch, nicht? (Lacht)

Woran arbeiten Sie in Ihrer neuen Produktion? Welche Fragen beschäftigen Sie, welches Material stand am Anfang?

Tut mir Leid, das geht nicht: Heute haben wir alles wieder umgeworfen, wir wissen wieder mal gar nichts ... Vor anderthalb Monaten war vieles klar - heute nicht mehr. Aber das ist gut! Gott sei Dank! Heute ist der Tag der Nullahnung.

Daran zumindest hat sich also nichts gegenüber früher geändert.

Ja. Wir zweifeln. Nicht verzweifeln - zweifeln.

Bei der allerletzten Premiere des Ballett Frankfurt gab es eine immense Erwartungshaltung, die mit "We live here" wunderbar unterlaufen wurde. Jetzt gibt es wieder so eine riesige Erwartung - wie geht man damit um?

Einfach ignorieren. Es gibt seit Jahren diesen Erwartungsdruck! Jahrzehnte. Er war immer da, das fängt jetzt nicht erst an. Deshalb war "We live here" absolut wichtig für uns: Ein Fast-Amateur- Theater nach so viel Jahren Ober-Profi-Produktionen.

Warum sind Sie in Deutschland geblieben?

Ich habe ein paar Situationen überprüft, beispielsweise in Frankreich. Es gab ein paar Angebote mit viel mehr Geld - aber die Verantwortung war größer. Ich wollte keine Institution leiten. Die Forsythe Company hat natürlich Kooperationspartner - aber es ist eine private, kleine Truppe. In Frankreich hätte ich vierzig Tänzer haben müssen, und die hätten französisch sein müssen und, und, und. So viel Muss, so viele Gesetze ... man hat dann sechs Ballettsäle - aber ich kann ja immer nur in einem sein. Diese Company ist für mich angemessen ...

... und eine Möglichkeit, sich die Politik vom Leibe zu halten.

Absolut. Das ist das Schönste: Ich bin selbstständig. Ein Service-Provider der Stadt Frankfurt, aber kein Angestellter.

Überall wird gekürzt, aber alle machen weiter. Ist es nicht politisch auch problematisch, dass Frankfurt letztlich das Gleiche für viel weniger Geld bekommt und sich auch noch auf die Schulter klopfen kann?

Den Namen Ballett Frankfurt haben wir gestrichen. Frankfurt taucht im Namen nicht mehr auf, das war wichtig. Aber man muss auch sagen: Zwanzig Jahre lang war die Unterstützung hier sehr gut - und wir haben eine Lösung gefunden, nicht dank der Politik, sondern dank der Bürger hier. Es war eine Bürgerinitiative. Ich hab einigen nichts mehr zu sagen in der Frankfurter Politik - aber ich möchte mich dazu eigentlich nicht mehr äußern. Es ist vorbei. Ich hab' das nicht nötig.

Das ist ein gutes Schlusswort. Vielen Dank.

Mit dem Choreographen sprach Florian Malzacher.
(JOURNAL Frankfurt - Ausgabe 08/05)
© JOURNAL Frankfurt

URL: http://www.k-faktor.com/frankfurt/forsythe-interview.htm | Letzte Änderung: 27.05.2005

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