Das große und reichhaltige gastronomische Angebot Frankfurts bietet für (fast) jede Gelegenheit, jeden Geschmack und jeden Geldbeutel etwas Passendes. In den meisten Reiseführern sowie zahlreichen Online-Publikationen finden sich Rezensionen von Restaurants bzw. Kneipen, und der "Neu-Frankfurter" kann sich hervorragend (wenngleich nicht immer absolut objektiv) anhand des vom "Journal Frankfurt" herausgegebenen Gastronomieführers "Frankfurt Geht Aus" über die lokale Kneipen- und Restaurantszene informieren.
Eigentlich besteht also gar kein Bedarf, auf einer Homepage über dieses Thema zu schreiben. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle zwei meiner persönlichen Favoriten vorstellen - und zwar einfach deshalb, weil ich glaube, daß jeder, der diese beiden Cafés nicht kennt, auch Frankfurt noch nicht richtig kennengelernt.
Eine Oase der Ruhe inmitten der Großstadt. Am südlichen Mainufer, in Sichtweite des Städel, liegt das Liebieghaus mit dem "Museum Alter Plastik". Betritt man den Garten von der Mainseite her durch den schön verzierten Torbogen mit dem schmiedeeisernen Tor, öffnet sich nach wenigen Metern links der kleine Innenhof des Cafés. Beschattet von einem großen Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa), sind die zahlreichen kleinen Tische im Sommer meistens voll belegt. Und wer keinen Platz ergattern konnte, macht es sich mit einer großen Tasse Milchkaffee auf der kleinen Mauer, die den Cafébereich vom übrigen Garten abgrenzt, bequem und blinzelt träge in die Sonne. Die mit wildem Wein und Efeu überrankten Mauern und eine vom Zahn der Zeit heftig angenagte Skulptur inmitten des Hofes verleihen der Szenerie eine lauschige und Ruhe ausstrahlende Atmosphäre, in der selbst die etwas unbequemen Stühle nicht als störend empfunden werden.
Die Mischung stimmt. Sportlich-trendige Skater sitzen zusammen mit angegrauten Mitt-Fünfzigerinnen, die sich über Beziehungslust und -frust unterhalten, am gleichen Tisch. Nebenan korrigiert ein Dozent eine Seminararbeit, während seine 30 Jahre jüngere Tischnachbarin in einem Gedichtband blättert. Kinder laufen und krabbeln zwischen den Tischen umher, während sich ihre Eltern mit den Großeltern über die Vorteile von Pampers oder die Nachteile einer Montessori-Schule unterhalten.
Und alle - oder zumindest fast alle - genießen den Kuchen. Es gibt keinen besseren in Frankfurt. Mein persönlicher Favorit ist der "Abruzzo", ein leckerer Mandel-Schokoladen-Kuchen. Aber die Auswahl ist nicht leicht, denn auch der "Poppy-Seed-Cake", mit Mohn und getränkt in Grapefruitsaft, oder der schwere, schwarze Schokoladenkuchen mit Buttermilch schmecken so gut, daß es schwer fällt, sich mit nur einem einzigen Stück zu begnügen.
Die Stimmung ist locker und die Luft erfüllt von Gesprächsfetzen und dem Klappern des Geschirrs. Für mich gibt es keinen schöneren Ort, um einen faulen Sommersonntagnachmittag zu verbringen. Aber auch während der Woche zieht es mich öfter hierhin. In dieser Umgebung bei einem Milchkaffee in den Abendstunden und in entspannter Atmosphäre noch zwei oder drei Mails zu lesen oder ein Protokoll zu korrigieren, ist fast mehr Erholung denn Arbeit. Und wer sonntags keine Lust hat, daheim zu frühstücken, der kann hier brunchen, "wie Gott in Frankfurt". Selbst schlechtes Wetter ist kein Grund, das Café nicht zu besuchen, denn auch die Innenräume strahlen einen ganz eigenen Charme aus, so daß es wirklich keine Entschuldigung dafür gibt, nicht hier gewesen zu sein.
Cafe im Liebieghaus - Schaumainkai 71 - 60596 Frankfurt am Main - Tel.: (069) 635814Das Café im ehemaligen Literaturhaus ist gar kein Café im klassischen Sinn. Sondern ein Ort der geistreichen Unterhaltung und des kultivierten Genusses. Die innen behutsam modernisierte Gründerzeitvilla im Westend war noch bis vor kurzem eine der wichtigsten Adressen Frankfurts, wenn es um Bücher, Autoren und Lesungen geht. Im Literaturhaus trafen sich Intellektuelle, Philosophen, Literaten, die, die sich dafür hielten und diejenigen, die einfach nur Interesse an Literatur hatten.
Da jedoch geistige Nahrung allein im allgemeinen schlecht sättigt, war es naheliegend, an diesem Ort auch kulinarische Genüsse zu befriedigen. Und obwohl das Literaturhaus am 08. Oktober 2005 offiziell in sein neues Zuhause, die wiederaufgebaute Alte Stadtbibliothek an der Schönen Aussicht, umgezogen ist, haben sich die Betreiber des Cafés entschlossen, ihrem alten Domizil treu zu bleiben. Ob das Kalkül aufgeht und der Treffpunkt seine Anziehungskraft und seinen Charme behält, werden die nächsten Monate zeigen.
In das Café - in Wahrheit handelt es sich eher um eine Bistrot - gelangt man über die holzgetäfelte Halle im Erdgeschoß des Hauses. Die Einrichtung ist schlicht und paßt sich wunderbar dem Stil und der Ausstrahlung des Hauses an. Die Atmosphäre in diesem Raum wirkt offensichtlich ausgesprochen inspirierend, denn wer nicht gerade ißt, scheint in intensive und angeregte Gespräche oder Diskussionen vertieft zu sein.
Das Angebot an Speisen und Getränken ist überschaubar und abwechlungsreich, die Qualität des Essens sowie der angebotenen Weine überdurchschnittlich gut und das Preisniveau akzeptabel. Was das Café jedoch so empfehlenswert macht, sind das Ambiente sowie das interessante Publikum.
Und wenn nach einem opulenten Mahl der Wein den Geist beflügelt, der Blick über die, von grün-goldenen Mosaiksteinchen eingefaßten hohen Rundbogenfenster nach draußen wandert und ein verklärtes Lächeln über das Gesicht huscht, dann fühlt sich auch der Besucher selbst ein klein wenig wie ein Literat oder Philosoph.
Cafe im alten Literaturhaus - Bockenheimer Landstraße 102 - 60323 Frankfurt am Main - Tel.: (069) 745550URL: http://www.k-faktor.com/frankfurt/kneipen.htm | Letzte Änderung: 17.11.2005
cantors homepage - © Jürgen Klein 2002-2008 - Frankfurt am Main